Umsetzung erster Projekte startet sofort
Resilienz ist das Immunsystem unserer Gesellschaft. Sie bedeutet nicht nur Ausdauer, sondern die Fähigkeit, gerade in Krisenzeiten innerlich lebendig und zwischenmenschlich stark zu bleiben. Mit einem Aktionsplan zur Stärkung der kommunikativen Widerstandsfähigkeit hat eine internationale Expertengruppe beim EISC-Krisenresilienzgipfel vom 8.–10. September 2025 in Altdorf (Schweiz) ein deutliches Zeichen gesetzt: Gemeinsam wollen Wissenschaft, Politik und Medien der globalen Bedrohung durch Desinformation und Polarisierung begegnen.
Mehr als 40 Fachleute aus Europa, den USA und Neuseeland erarbeiteten konkrete Massnahmen in vier Handlungsfeldern – Schulen, Bevölkerungsschutz, Politikberatung und Journalismus –, die nun unmittelbar umgesetzt werden.
Gesellschaft am Scheideweg
Der Risikoforscher Prof. Dr. Ortwin Renn machte deutlich, dass die Gesellschaft „an einem Scheideweg“ steht: Sicherheit, Gemeinwohl und Demokratie seien akut gefährdet. Nur wenn Wissenschaft handlungsfähige Optionen liefere und Politik diese Erkenntnisse aktiv aufgreife, so Renn, könnten die aktuellen Herausforderungen bewältigt werden – und dafür brauche es Reformen in beiden Systemen.
Auch der Desinformationsexperte Dr. Jon Roozenbeek von der Universität Cambridge warnte, Vertrauen sei ein besonders verletzliches Gut. „Ein niederländisches Sprichwort sagt: Vertrauen kommt zu Fuss und reitet davon auf einem Pferd“, erklärte er und erinnerte daran, dass es sehr lange dauere, Vertrauen aufzubauen, es aber im Handumdrehen verloren gehen könne. Gerade im Hinblick auf den Informationskrieg, der zunehmend demokratische Strukturen bedrohe, sei dieser Schutz dringender denn je.
Erste-Hilfe-Massnahmen für die Gesellschaft
Die Gründerin des European Institute for Safe Communication (EISC), Prof. Dr. Annegret Hannawa, beschrieb den Aktionsplan als unmittelbare Antwort auf einen „Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts“, den viele Länder derzeit erleben. Digitale Erzählweisen, so Hannawa, schürten polarisierende Konflikte und untergrüben die Fähigkeit der Menschen, konstruktiv miteinander zu kommunizieren. Deshalb setze man nun gezielt „Erste-Hilfe-Massnahmen“ um – für Schulen, Politikberatung, Bevölkerungsschutz und Journalismus. Der Aktionsplan umfasst vier zentrale Handlungsfelder:
1. Kommunikative Widerstandsfähigkeit in Schulen
Evidenzbasierte Präventionsprogramme wie das „Bad News“-Videospiel sollen Jugendliche spielerisch gegen Desinformation stärken. Dafür wird eine EISC-Arbeitsgruppe eingerichtet, die die internationale Umsetzung steuert und die Wirkung langfristig wissenschaftlich evaluiert.
2. Digitaler Bevölkerungsschutz
Neue Konzepte sollen bewährte Internetarchitekturen wie SCION auf den öffentlichen Diskurs übertragen und so geschützte Kommunikationsräume schaffen. „Wir müssen stärker in Informationssicherheit und -integrität investieren und sichere Räume für den demokratischen Diskurs schaffen“, betonte die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Christiane Eilders. Solche Räume garantierten die Verbreitung evidenzbasierter Informationen – frei von Hassrede und destruktiven Praktiken.
3. Wissenschaftliche Politikberatung
Geplant sind regionale und nationale Foren für den Austausch zwischen Politik und Wissenschaft, ergänzt durch innovative Formate wie Foresight-Workshops oder ein Decision Theatre. Zudem sollen Programme für die Qualifizierung von Wissenschaftler:innen in politischen Prozessen ausgebaut und Fortbildungsangebote für Politiker:innen im Umgang mit polarisierenden Themen geschaffen werden.
4. Resilienzfördernder Journalismus
Neben der Zusammenführung wissenschaftlicher Evidenz wird eine Pilotstudie zur Depolarisierung gestartet. Leitlinien und Weiterbildungsprogramme für Redaktionen und Journalistenschulen sollen entstehen, flankiert durch Allianzen zwischen Bildung, Politik, Wissenschaft, Kunst und Medien. Ulrik Haagerup, Gründer des Constructive Institute in Aarhus, erinnerte daran, dass Menschen „nicht mehr Nachrichten, schnellere Nachrichten oder weitere Sendungen mit streitenden Politiker:innen“ wollen. Stattdessen suchten sie jemanden, dem sie vertrauen können, der Ordnung ins Chaos bringt und öffentliche Debatten über Lösungen ermöglicht. „Wir nennen diese Form des Journalismus ‚Constructive Journalism‘ – und seine Zeit ist jetzt gekommen“, so Haagerup.
Ausblick
Der Gipfel hat gezeigt, dass Wissenschaft, Politik und Gesellschaft gemeinsam enorme Kräfte bündeln können. Die jetzt gestarteten Projekte sollen nicht nur Resilienz fördern, sondern auch Vertrauen zurückgewinnen – ein entscheidender Schritt, um Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Zeiten multipler Krisen zu stärken.
👉 Pressekits, Fotos, die Aktionsmassnahmen und weitere Informationen finden Sie unter https://www.eiscom.eu/gipfel-aktuell.